das eigene befragen
Mein Glück befragend, erkannte ich, dass diese Empfindung auf dem Gefühl beruhte, zu den Fleißigen, Fähigen, Erfolgreichen und Guten unserer Welt zu gehören. Diese Einschätzung meines Seins hing damit zusammen, dass die ausgeübte Tätigkeit von den Autoritäten meiner Realität gebilligt, bestätigt und geschätzt wurde. Das Verbleiben in dieser anerkannten Stellung bot zudem wiederkehrende Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, die mein Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sowie das Gefühl der Sicherheit stärkten.
Andererseits wurde mir klar, dass mit dem Erfolg und der Sicherheit auch die Neigung gewachsen war zu glauben, dass dies in erster Linie das Ergebnis der eigenen Fähigkeiten, des Willens und des Fleißes war. Das Gefühl, die erste Ursache für die eigene Glück zu sein, weckte und stärkte die Überzeugung, dass man es kann und muss, während es das Verständnis für Unfähigkeiten schwächte und die Angst belebte nicht fähig zu sein.
Zu spüren, dass die Kraft dieser Überzeugung mein Sein und Tun entscheidend prägte, obwohl mir aufgrund eigener Erfahrungen die Ungleichheit der Ausgangspositionen, Mittel und Möglichkeiten bewusst war, machte mich nachdenklich.
Ich erkannte, dass die über einen langen Zeitraum gelebte Position und die daraus resultierenden kontinuierlichen Erfahrungen von Ablehnung und Willkommen, Verachtung und Wertschätzung, Irrelevanz und Wirksamkeit, Tadel und Lob, Bestrafung und Belohnung im Formieren von Bedürfnislandschaften und Wertetopografien, im Beurteilen und Ausüben von deren Ein- und Ausschluss, im Festlegen und Verfolgen von Fähigkeiten und Zielen, im erschaffen und negieren von Identitäten und Realitäten wirkungsvoller sind als die Klarheit und Logik, die sich durch grundlegende Kenntnisse und Einsichten auftun.
Es folgte die Beobachtung: Je länger du die Position bewahrst, aus der du befreundete und feindliche Identitäten, versichernde und bedrohliche Realitäten erlebst, bewertest und trennst, desto größer wird die Notwendigkeit und die Bereitschaft, deine Wahrnehmungen und Urteile als grundlegend und maßgebend, wenn nicht gar als universelle Wahrheiten und Naturgesetze zu empfinden, die es zu befolgen gilt.
So drängte sich die Frage auf: Aus welcher Stellung in der Gesellschaft, sprich aus welcher Zugehörigkeit und aus welchem Wirkungsfeld, willst du die Realität erleben, die Überzeugungen und Prinzipien erfahren, befragen und gestalten, die deine Existenz begründen und bestätigen, dein Urteilen und Handeln leiten, dich fähig und sicher fühlen lassen?