den strom aufspüren

Beim Betrachten meiner Situation oszilliere ich zwischen Unbehagen und Furcht. Unbehagen gegenüber der gegenwärtigen Realität; Furcht bei der Vorstellung, diese Realität zu verlassen. Im Betrachten und Oszillieren schwangen zwei Fragen mit: Bleiben oder nicht bleiben im Unbehagen des Bewährten? Gehen oder nicht gehen in die Furch des Unbekannten?

Ich tauchte in die gegenwärtige Realität und in jene ein, die durch die Einsicht hervorgerufen wurde, um die emotionalen Reaktionen und die Energieflüsse zu erfassen.

Wenn ich an der Arbeit war, spürte ich eine ungewohnte Antriebslosigkeit – als ob sich eine Schleuse geschlossen hätte. Die Tätigkeit, der ich mich aus Überzeugung und mit Leidenschaft gewidmet hatte, war zur Pflicht geworden. Das unbeseelte Arbeiten forderte immer mehr Energie, gab mir aber keine Energie mehr zurück. Ich fühlte, dass ich von meinen Reserven zehrte – von den Erinnerungen an eine glückliche Vergangenheit.

Glücklicherweise erlebte ich im Oszillieren zwischen Unbehagen und Furcht nicht nur Antriebslosigkeit und Stau. Wenn ich mir den Raum gab, mich den Fragen zu widmen, die nicht neu waren, aber an Dringlichkeit gewonnen hatte, fühlte ich mich trotz der Furcht und des Unbehagens, die ich empfand, lebendig und genährt.

Der Lebensfluss hatte einen unerwarteten und unbekannten Lauf genommen. Ich war erstaunt, verwirrt und verängstigt, denn der Fluss hatte nichts mit Beruf und Verdienst zu tun, sondern wurde einzig und allein von einem inneren Antrieb getragen.

Dieser Antrieb wurde von einem Bedürfnis genährt, das ich zwar kannte, jedoch noch nie in dieser Intensität und Beharrlichkeit erlebt hatte, und das ich als persönliche und private Angelegenheit betrachtete.

Ich bemühte ich mich über längere Zeit, die zugegangene Schleuse zu öffnen und meine Arbeit mit der mir vertrauten Elan zu beleben, jedoch ohne die offene Schleuse zu schließen. Verantwortungsbewusstsein, Loyalität, Ansprüche an mich selbst, schöne Erinnerungen, Freundschaften, Ängste und Hoffnungen drängten mich zum Beharren.

Doch die Teilung des Flusses wollte nicht gelingen. Das Leben war unerbittlich und forderte eine Entscheidung: Entweder du verlässt die Sicherheit und die Tat ohne Lebensfluss oder du lässt den Lebensfluss ohne Körper und ohne Tat.

Ich stand erneut in einem Spannungsfeld, nun der widerstreitenden Ängste: Gehen führt in die existenzielle Unsicherheit, ich fürchte Elend, Leiden, Krankheit, Tod. Bleiben führt in die Energielosigkeit, ich fürchte Erschöpfung, Leiden, Krankheit, Tod. Es war klar, du kannst der Angst nicht entkommen.

Ich erstarrte.

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